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Provokation als Methode in Führung, Beratung und Coaching

Provokation als Methode in Führung, Beratung und Coaching

 

„Möchten Sie wieder stundenlang um den heißen Brei reden oder können wir jetzt endlich zur Sache kommen?“ „Sie meinen, wir haben ein Problem? Nein, wir haben kein Problem, Sie sind das Problem!“ „Von wegen souverän. Seien Sie doch mal ehrlich, Sie haben die Hosen gestrichen voll.“

Unverschämtheiten oder Provokationen wie diese bergen die Gefahr von Kränkungen und eines Beziehungsabbruchs in sich, sie können jedoch auch im positiven Sinn einen Richtungswechsel bewirken. Unser Gegenüber wird aus seinen eingefahrenen Denk- und Verhaltensmustern gerissen, mehr Flexibilität und Kreativität sowie unvorhergesehene Gesprächsverläufe werden wahrscheinlicher. Das Gespräch kann spritziger und interessanter werden, die Betriebstemperatur steigt. Wir decken Verborgenes auf und kommen schneller auf den Punkt und somit zu einer Lösung.

Mich hat eine Führungskraft einmal mit folgenden Worten provoziert. „Herr Frohnert, Sie machen Ihren Job nicht!“ Im ersten Moment war ich wie vor den Kopf geschlagen und Stinksauer. Einen Tag später führte ich mit diesem Vorgesetzten ein Gespräch. Deutlich wurde, dass es unterschiedliche Rollenerwartungen zu den Aufgaben und zur Aufgabenerledigung von ihm an mich gab. Das Gespräch verlief in einer offenen und konstruktiven Atmosphäre und hinterher mussten wir beide schmunzeln. Ich kannte diese Führungskraft lange und wir hatten ein gutes Vertrauensverhältnis.

Provokation kommt aus dem Lateinischen provocare und bedeutet herausfordern, herauslocken. Eine Provokation ist eine Herausforderung, durch die jemand zu (unbedachten) Handlungen veranlasst wird oder werden soll. Provokative Handlungen sprengen Verhaltensnormen, brechen Tabus und treffen das Gegenüber meist unerwartet. Als Provokateure übertreiben wir, sprechen Tabus aus und spielen mit Klischees. Wir legen unsere Finger in wunde Punkte, unterbrechen unser Gegenüber bewusst und sprechen seine unangenehmsten Gedanken und Gefühle aus. Wir werfen vorübergehend über Bord, was als Elemente von gelungener Kommunikation angesehen wird und zeigen genau gegenteiliges Verhalten.

 

Als Provokateure können wir im Grundverständnis an die historische Figur des Hofnarren anknüpfen. Dessen Aufgabe war es, Kritik an den bestehenden Verhältnissen am Hofe zu üben. Unberechenbar, unhöflich, respektlos, unverschämt und gerade die Welt am Hof karikierend war der Hofnarr eine soziale Institution zulässiger Kritik und sorgte für Unterhaltung und Humor unter den Vornehmen.

Überschritt der Hofnarr jedoch bestimmte Grenzen, riskierte er Kopf und Kragen. Entsprechendes gilt für uns. Gehen wir bei Tabubrüchen zu weit, vereiteln wir nicht nur unser Ziel, sondern riskieren die gesamte Beziehung: Kontaktabbruch, Feindseligkeit, gekränkter Rückzug, üble Nachrede, offene Aggression usw. können die Folgen sein.

Gekonntes Provozieren löst gemeinsames Lachen aus

Bei bewusst eingesetzten Provokationen soll unser Gesprächspartner nicht verletzt werden, wir rächen uns nicht für irgendetwas und benutzen die Provokation nicht als Ventil für eigene Gefühle oder Stimmungen. Wir setzen sie auch nicht ein, um uns auf Kosten anderer zu amüsieren und andere lächerlich zu machen, wie wir dies täglich im Fernsehen erleben.

Eine gekonnte Provokation beinhaltet auch immer ein gemeinsames Lachen oder Schmunzeln. Werden beispielsweise unsere Eigenheiten, Schwächen oder Schattenseiten übertrieben dargestellt und bis zur Karikatur überzeichnet, trifft das bei den meisten Menschen auf Humor. Vorausgesetzt, wir spüren, dass unser Gegenüber uns sympathisch findet und uns nicht nur mit unseren Sonnenseiten sondern auch mit unseren Schwächen akzeptiert.

Gezielter Einsatz von Provokation erlaubt uns auch Dinge auszusprechen, die wir denken und fühlen. Aus Gründen von Höflichkeit und Rücksichtnahme wagen wir oft nicht, Dinge auszusprechen, selbst solche, die offensichtlich sind. Brechen wir ein entsprechendes Tabu, über manche Dinge nicht zu sprechen, wie z. B., dass unser Gesprächspartner Körpergeruch hat, bekommt der Betreffende die Chance zu hören, was bisher nur hinter seinem Rücken über ihn kommuniziert wurde. Insofern ist es für den Provokateur oft ein Gewinn an Freiheit, Dinge anzusprechen, die er zuvor gemieden hat und profitieren andere ebenfalls davon.

Auf die richtige Balance kommt es an

Um die Gefahren von Provokationen zu vermeiden, ist die Balance in unserer Kommunikation zwischen provokativen Anteilen und glättenden, harmonischen Anteilen wichtig. Eine wesentliche Voraussetzung für eine gelungene Provokation ist, dass die Beziehung stabil genug ist. Der Provokateur mag seinen Gesprächspartner und dieser weiß das. Je stärker die Provokation, desto mehr Vertrauen ist erforderlich. Denn unter Freunden hat die Aussage „Bei Dir herrscht ein Chaos auf dem Schreibtisch!“ oder „Du bist ein Dussel!“ eine andere Bedeutung als unter Fremden, die sich unsympathisch finden.

Weiterhin muss die Dosierung der Provokation stimmen. Es gehört eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit, Menschenkenntnis und Sensitivität dazu, einschätzen zu können, in welcher Schärfe Provokationen sinnvoll sind und wann über das Ziel hinausgeschossen würde.

Die Vielheit und Buntheit der Provokationen nimmt zu, je flexibler wir mental und emotional sind, schauspielerische Fähigkeiten erhöhen unser Verhaltensspektrum. Allein schon, wenn wir eine bestimmte Eigenschaft von unserem Gesprächspartner imitieren und bis zur Karikatur überzeichnen ist schauspielerisches Talent hilfreich. So können wir beispielsweise Opferverhalten, Flirten, autoritäres Verhalten, Beleidigtsein, Desinteresse, Überaktivität oder Pauschalverhalten spielen. Nicht vergessen dürfen wir dabei das gemeinsame Lachen oder Schmunzeln. Hohe Flexibilität wird vom Provokateur auch deswegen verlangt, weil die Reaktion des Provozierten in vielen Fällen ebenfalls unberechenbar ist. So muss er immer wieder neu entscheiden, was die richtige nächste Handlung ist. Ein vorgefertigtes Konzept nutzt dem Provokateur nichts.

Lassen Sie sich und Ihrem Gesprächspartner nach einer Provokation Zeit. Das Gespräch sollte nicht mit einer Provokation enden, sondern Sie sollten mit Ihrem Gesprächspartner noch eine Zeit lang in einer „normalen Betriebstemperatur“ kommunizieren. So können Sie sich auch vergewissern, dass Ihr Gesprächspartner Sie richtig verstanden hat und Sie ihn.

Entschließt sich jemand, in seine Kommunikation provokative Anteile einzubauen, empfehlen sich kleine Schritte. Neben den genannten Voraussetzungen sollten die provokativen Anteile zunächst besonders selten und kurz sein und weniger explosiv. Und Sie sollten am Anfang darauf achten, dass Sie als Übungspartner nicht Ihren Chef nehmen sondern zunächst beispielsweise gute Freunde, die Ihnen einen Ausrutscher auch einmal verzeihen würden.

So vermeiden Sie die Gefahren von Provokationen. Sie und Ihre Gesprächspartner können in optimaler Weise von Provokationen als gezielt und professionell eingesetzter Methode profitieren und mehr Klarheit, mehr Spritzigkeit, mehr Tiefe, Authentizität und Effektivität in Alltagsgesprächen, Beratungen und Coaching erleben.